Mdl Plenumii

Redebeitrag von Sören Voigt zur Änderung des Abgeordnetengesetzes

Redebeitrag von Sören Voigt MdL in der 29. Plenarsitzung am Dienstag, 18. Mai 2021
zu "Fünfzehntes Gesetz zur Änderung des Abgeordnetengesetzes" (Drs 7/1891)

(-Es gilt das gesprochene Wort!-)

"Herr Präsident, meine Damen und Herren Abgeordnete,

wir beraten heute Änderungen zum Sächsischen Abgeordnetengesetz, weil uns diese Entscheidung niemand abnimmt.

Als Parlament sind wir verpflichtet, selbst über die Bedingungen für uns zu entscheiden – und zwar eigentlich innerhalb der ersten neun Monate nach der konstituierenden Sitzung des Landtags. Die Koalition ist sich sehr bewusst, dass die vorgesehenen Änderungen in einer Zeit diskutiert werden, in der Bürgerinnen und Bürger in Sachsen durch die Pandemie in gesundheitlicher, emotionaler, wirtschaftlicher und finanzieller Weise viel abverlangt wurde und wird.

Deshalb werde ich für die CDU-Fraktion erklären, warum wir das Sächsische Abgeordnetengesetz mit den geplanten Änderungen insgesamt - als Gesamtpaket - für vertretbar halten.

Meine Damen und Herren, sicher werden auch Sie von Bürgerinnen und Bürgern gefragt, was ein Landtagsabgeordneter eigentlich den ganzen Tag macht, gerade jetzt Krisenzeiten - wie lange man arbeiten muss, was er verdient, wie viel Freizeit er hat.

Oftmals, wenn ich unseren Monatsplan skizziere, erkläre, wie lange Verhandlungen dauern, ehe ein Gesetz entsteht, dass Termine in Dresden und im Wahlkreis wahrgenommen werden müssen, welche Aufgaben um das eigentliche Mandat noch anstehen, dann höre ich, dass viele Menschen nicht mit mir tauschen möchten.

Sie wollen diese Verantwortung, dieses Sich-Rechtfertigen für Dinge, die nicht so laufen, wie es sich mancher persönlich wünscht, nicht tragen. Von den zeitintensiven, aber aus meiner Sicht wichtigen Diskussionen von Mensch zu Mensch und auch in den sozialen Netzwerken ganz zu schweigen!

Und immer wenn man erklärt, Politik ganz bewusst nicht nur als Hobby, sondern mit allem was daran hängt, als Beruf zu verstehen, zeigen viele Respekt für das, was man tut und sich engagiert.

Meine Damen und Herren, zunehmend stelle ich aber fest, dass gar nicht unterschieden wird, zwischen dem, was Aufgabe und Einflussmöglichkeit eines Landtagsabgeordneten, der Regierung, der Verwaltung, der Gerichte ist, welche Kompetenzen eigentlich Bund, Länder und Kommunen haben, was Föderalismus und Gewaltenteilung in unserem Land bedeuten.

Besonders, wenn „von denen da oben“ gesprochen wird, habe ich dieses Gefühl, dass es uns nicht gelingt, verständlich zu erklären, welche Verantwortung wir hier im Sächsischen Landtag tragen.

Was können wir beeinflussen und was nicht? Und warum haben wir gerade deshalb als frei gewählte Abgeordneten durchaus eine eigene Position in diesem politischen Gesamtsystem. Ich möchte das an einem Beispiel deutlich machen. Die Gewerkschaften und Tarifpartner im öffentlichen Dienst, also die kommunalen und staatlichen Verwaltungen - vertreten die Interessen ihrer Mitglieder und handeln selbstverständlich für einen definierten Zeitraum Tarifverträge aus.

Der gemeinsam erzielte Abschluss wird übernommen und in die jeweiligen Haushalte eingestellt. Das System ist allgemein anerkannt und wird von der Gesellschaft auch akzeptiert. Für uns als Mitglieder des Sächsischen Landtags gilt das nicht. Wir haben keine ‘Gewerkschaft für Abgeordnete’, die einen Tarif aushandelt.

Als Gesetzgeber haben wir die Verpflichtung, in jeder Legislatur das Abgeordnetengesetz zu überprüfen, es dann zu novellieren und uns die entsprechenden Bedingungen selbst zu geben. Dafür werden wir kritisiert. Das entspricht aber der Rechtslage. In den Verhandlungen, die wir zum Abgeordnetengesetz geführt haben, gibt es viele thematische Punkte, die miteinander verbunden und abgewogen werden.

Anders, als oftmals dargestellt, laufen diese Beratungen nicht im Hinterzimmer, sondern werden transparent vorgestellt und in öffentlicher Anhörung von Experten, die im Übrigen alle Fraktionen benennen können, gründlich bewertet. Das Ergebnis dieser Anhörung nehmen wir ernst. Kritik wird hinterfragt. Punkte, die das Votum der Sachverständigen erhalten, werden im Ergebnis auch umgesetzt. So haben wir es auch bei dieser Novellierung getan, ehe wir heute dazu im Plenum beschließen werden.

Sehr geehrte Damen und Herren, ursprünglich war die Entscheidung zur Änderung des Abgeordnetengesetzes für April des vergangenen Jahres vorgesehen.
Im März 2020 begann unser gemeinsamer Kampf gegen Corona. Wir hatten daraufhin einvernehmlich festgelegt, uns zu einem späteren Zeitpunkt mit der Änderung des Gesetzes zu befassen. Ich kann nachvollziehen, wenn es die Meinung gibt, dass die Fortschreibung des Abgeordnetengesetzes auch jetzt zu einem Zeitpunkt diskutiert wird, bei dem falsche Signale an die Bevölkerung gesendet werden. Ich erwarte auch, dass die Opposition gegen diese Gesetzesänderung stimmen wird, um dann genauso wie die Koalitionsparteien davon profitieren zu dürfen oder sich daran halten zu müssen. Aber dieses Gebaren soll ihr gutes Recht sein. Umso mehr werden wir deutlich machen, dass die Veränderungen im Abgeordnetengesetzes eben nicht nur die Anpassung der Diäten an die Richterbesoldung vorsehen.

Einige Beispiele möchte ich nennen:

Kopplung an die Lohnentwicklung

Eine wesentliche Änderung sieht vor, dass sich die künftige Entwicklung der Abgeordnetenentschädigung am vom Statistischen Landesamt ermittelten Nominallohnindex orientiert. Damit übernimmt der Freistaat Sachsen den gleichen Mechanismus, wie er seit 2014 auch im Bundestag zur angewandt wird.

Nun war schon der Presse im vergangenen Jahr zu entnehmen, dass der Bund der Steuerzahler dies kritisch sieht. Schade ist, dass er an der damaligen Anhörung als Sachverständiger nicht teilgenommen hat. Auch auf mehrmaliges Nachfragen des Ausschusssekretariats wurde die zugesagte schriftliche Stellungnahme nicht übersandt.

Eine Auseinandersetzung mit dieser Kritik im parlamentarischen Verfahren war somit nicht möglich. Das ist kein guter Stil, meine sehr verehrten Damen und Herren.

Und auch, wenn wir die Kritik des Bundes der Steuerzahler nicht im Detail kennen, möchte ich für die CDU betonen, dass wir die Kopplung der Abgeordnetenentschädigung an die “Lohnwirklichkeit” im Freistaat und zwar nach oben wie nach unten - für ein sehr transparentes und faires Verfahren halten.

Das wurde auch in der Anhörung deutlich. Ich zitiere Herrn Professor Austermann: „Das Verfahren ist zweckmäßig. Für den Nominallohnindex sprechen seine große Reichweite (er erfasst mehrere Millionen Menschen), seine Verwendung für alle Arten abhängiger Beschäftigung, die exakte, zeitnahe und regelmäßige Abbildung der Verdienstentwicklung sowie seine Nachvollziehbarkeit.”

Verschärfung von Transparenzregeln

Mit den neuen Paragraphen 4a bis 4e werden die Verhaltensregeln der gewählten Abgeordneten neu gebündelt und kompakt im Abgeordnetengesetz dargestellt.

Ein Schwerpunkt ist dabei Transparenz bei Einkünften und wirtschaftlichen Beteiligungen gegenüber der Öffentlichkeit und den Wählerinnen und Wählern.

Als Abgeordnete haben wir alle Tätigkeiten, Vereinbarungen und Beteiligungen, die auf für die Ausübung des Mandats bedeutende Interessenverknüpfungen hinweisen können, anzuzeigen. Wie wichtig dieser Punkt ist, zeigen uns die aktuellen, negativen Beispiele aus der Bundespolitik.

Ruhestandsregelung

Wir passen die Regelungen für Pensionszahlungen an: Abgeordnete haben künftig erst ab dem 67. Lebensjahr einen entsprechenden Anspruch, wenn sie mindestens zehn Jahre im Landtag waren.

Damit zeichnen wir eine allgemeingültige Praxis zum Renteneintritt nach. Bisher war dies, je nach Dauer der Zugehörigkeit zum Sächsischen Landtag, ab dem 63. Lebensjahr möglich. Ich denke, auch dagegen kann man nicht sein.


Beschäftigung von Mitarbeitern

Die Mitarbeiterpauschale wird auf das Zweifache eines monatlichen Bruttoentgelts für einen Beschäftigten der Entgeltgruppe 11 des TV-L in Stufe 3 erhöht. Hier haben wir auf Hinweise im Rahmen der Anhörungen reagiert und eine Regelung, die ursprünglich weiterging, nicht umgesetzt. Das Gehalt entspricht dann der Sachbearbeiterebene in der Landesverwaltung, was auch nach Einschätzung der Sachverständigen angemessen ist. Die nun vorgeschlagene Anpassung trägt aus unserer Sicht dazu bei, die Tätigkeit als Abgeordnetenmitarbeiter weiterhin attraktiv zu halten und auch künftig gut ausgebildete und leistungsfähige Mitarbeiter zu gewinnen. Das ist im Sinne der sächsischen Bürgerinnen und Bürger.


Schäden an den Abgeordnetenbüros

Eine neue Regelung in Paragraf 22 Absatz 4 sieht vor, dass Abgeordnete künftig in besonderen Ausnahmefällen eine finanzielle Unterstützung erhalten können, um Schäden am Abgeordnetenbüro, an der Privatwohnung oder am Privatfahrzeug auszugleichen, die durch strafbare, auf das Mandat bezogene Handlungen entstanden sind.

Leider ist eine solche Regelung in Anbetracht von Drohungen und Gewalttätigkeiten gegen Mandatsträger erforderlich geworden. In einer Stellungnahme war hierzu zu lesen – ich zitiere: „Es ist richtig und konsequent, dass der Landtag seinen Mitgliedern auf diese Weise zur Seite steht.”

Ich finde es zumindest bemerkenswert, dass all die bisher von mir genannten und aus meiner Sicht wichtigen Punkte in der öffentlichen Wahrnehmung wenig präsent sind. Die öffentliche Debatte zum neuen Gesetz wird leider nur auf die Diätenentwicklung reduziert.

Sehr geehrte Damen und Herren, als Abgeordnete des Sächsischen Landtags bekommen wir unser Mandat auf Zeit, auf 5 Jahre übertragen. Wir erhalten keinen tariflich gebundenen Arbeitsvertrag der gekündigt werden muss. Über uns entscheidet allein das Votum die Wählerinnen und Wähler. Und das ist gut so.

Und gerade aus diesem Grund sieht die Sächsische Verfassung in Artikel 42 Absatz 1 vor, dass die Abgeordneten Anspruch auf eine angemessene, ihre Unabhängigkeit sichernde Entschädigung haben. Unser Parlament ist ein Spiegelbild der Gesellschaft. Wir sind Unternehmer, Arbeiter, Angestellte und Akademiker. Einer angemessenen, für alle gleichen Entschädigung kommt daher eine besondere Bedeutung im demokratischen System zu.

Denn alle in freien Wahlen gewählten Abgeordneten sollen die Möglichkeit haben, unabhängig professionell Politik zu betreiben, ohne sich in finanzielle Abhängigkeiten begeben zu müssen.

Was wollen wir mit dem Gesetz und dem vorgelegten Änderungsantrag in diesem Punkt erreichen?

Den Bürgerinnen und Bürgern in Sachsen wurde und wird durch diese Pandemie auch in finanzieller Weise sehr viel abverlangt. Es war deshalb das richtige Zeichen, dass wir die geplante Novellierung des Sächsischen Abgeordnetengesetzes bislang ausgesetzt haben.

Nachdem wir auf eine Anpassung der Entschädigung im vergangenen Jahr bewusst verzichtet haben, verlängern wir die Nullrunden der Diäten nun ein weiteres Mal bis in das Frühjahr des Jahres 2022. Das sind dann mehr als zweieinhalb Jahre. Vergleichbare freiwillige Regelungen sind mir im Bereich der Tarifentwicklungen nicht bekannt.

Erst dann soll die Abgeordnetenentschädigung an das Grundgehalt eines Richters in der Besoldungsgruppe R 2 Stufe 6 gekoppelt werden.

Es ist für uns als CDU nachvollziehbar, diejenigen, die für das ganze Land Recht setzen, so zu bezahlen, wie diejenigen, die dieses Recht für das ganze Land auslegen.

Die Orientierung an der Besoldung eines Richters wurde auch im Rahmen der Anhörung von allen Sachverständigen als verfassungsgemäß bewertet. Die AfD selbst hat ja keinen eigenen Sachverständigen benannt, so wichtig war ihr die Debatte im Ausschuss.

Herr Professor Austermann hat hierzu in seiner Stellungnahme festgehalten – ich zitiere: “Die Orientierung an der Richterbesoldung ist verfassungsgemäß. (…) Abgeordnete sind in Bezug auf ihren Status, ihre Tätigkeit und ihre Verantwortung noch am ehesten mit einem Richter vergleichbar. Wie die Richter nehmen Landtagsabgeordnete ihre Tätigkeit in verfassungsrechtlich garantierter Weisungsunabhängigkeit wahr.“

Im bundesweiten Vergleich ordnen wir uns mit dieser Regelung weiterhin im unteren Mittelfeld aller Bundesländer ein. Das heißt konkret:
Die Entschädigung eines Abgeordneten im Sächsischen Landtag entspricht ab April 2022 in etwa der durchschnittlichen Vergütung eines Schulleiters eines Gymnasiums, eines langjährigen und verheirateten Oberschullehrers oder eines Bürgermeisters in einer Sächsischen Kleinstadt.

Meine Damen und Herren, als Koalition wissen wir um die Bedeutung und Wahrnehmung dieses Gesetzes. Deshalb halten wir einen Beschluss hierüber im Zusammenhang mit der Verabschiedung des Haushalts für den Freistaat für sachgerecht, vertretbar und für ehrlich.

Mit den vorgeschlagenen Regelungen beantworten wir damit unter anderem die Frage, was ein Abgeordneter für seine Tätigkeit erhalten soll. Aus meiner Sicht, und diese Auffassung wird ja auch von einigen geteilt, sollten wir aber auch darüber sprechen, was unserer Gesellschaft die Arbeit der Abgeordneten des Sächsischen Landtags tatsächlich wert ist. Dabei müssen wir unsere Aufgaben als frei gewähltes Parlament, unsere Rolle im politischen Gesamtsystem und damit auch unsere konstruktive Verantwortung für diesen Freistaat deutlich machen und selbstbewusst vertreten. Das sollten wir gemeinsam in diesem hohen Hause tun.

Herzlichen Dank."

Mit den vorgeschlagenen Regelungen beantworten wir damit unter anderem die Frage, was ein Abgeordneter für seine Tätigkeit erhalten soll. Aus meiner Sicht sollten wir aber auch darüber sprechen, was unserer Gesellschaft die Arbeit der Abgeordneten des Sächsischen Landtags tatsächlich wert ist.Dabei müssen wir unsere Aufgaben als frei gewähltes Parlament, unsere Rolle im politischen Gesamtsystem und damit auch unsere konstruktive Verantwortung für diesen Freistaat deutlich machen und selbstbewusst vertreten.

Sören Voigt MdL, Parlamentarischer Geschäftsführer CDU-Landtagsfraktion